Willensmängel
Willensmängel
Überblick
Arten
Fehler bei der Willensbildung: Motivirrtümer
Bsp.: Man kauft Aktien in der Annahme, dass der Kurs steigt. Dieser sinkt aber um 30%
Wille und Erklärung haben übereingestimmt. Kein AnfechtungsrechtAbweichen von Wille und Erklärung
Bewusstes Abweichen: § § 116-118 (Folge meist: Nichtigkeit der Erklärung)
Unbewusstes Abweichen: § 119 I (Folge auf den Irrtum meist: Anfechtungsberechtigung)
Bsp.: Man stellt Fahrrad in Ebay für 120€, wollte aber 210€ verlangenBeeinflussung der Willensbildung: arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung
Interessen der Beteiligten
- Erklärender: Es soll nur das gelten, was gewollt ist oder (bei richtiger Willensbildung) gewollte wäre:
Willenstheorie - Erklärungsempfänger: Es soll nur das gelten, was der Empfänger auch als Erklärungsinhalt verstehen
konnte: Erklärungstheorie
Willenstheorie ↔ Erklärungstheorie
- Bewertung der Interessenten durch den Gesetzgeber
Endgültige Gültigkeit der Erklärung (z.B. bei Motivirrtümern, aber auch im Falle des § 116 S. 1)
§ 116 S.1 „Geheimer Vorbehalt“: Jemand erklärt etwas, wobei er sich vorbehält dieses nicht zu machen (nicht schutzbedürftig; Dummheit)
Nichtigkeit der Erklärung: in der Mehrzahl der Fälle des bewussten Abweichens von Wille und Erklärung ( § § 116 S.2, 117, 118)
Beispiele:
Geheimer Vorbehalt, aber Erklärungsempfänger erkennt, dass der Erklärende dies eigentlich nicht möchte, dann sind beide nicht schutzbedürftig (Beide dumm)
§ 118: Scherzerklärung: Student zu Professor: „Verkaufen Sie mir die Prüfung für 500€?“ Professor (ironisch): „Ja klar“. Unterschied zum „Geheimen Vorbehalt“: Man erwartet, dass die Ironie vom Gegenüber erkannt wird
§117: Scheingeschäft: soll z.B. ein anderes Geschäft verdecken, um dritte zu täuschen. Beide Parteien erklären sich übereinstimmend für ein Geschäft; sind sich aber einig, dass das Geschäft nicht bzw. anderes verläuft
Bsp: Grundstücksverkauf vor dem Notar von 50.000€. Haben sich aber schriftlich geeinigt das
Grundstück für 100.000€ zu verkaufen (um Kosten zu sparen)
Das Geschäft vor dem Notar ist nichtig (Scheingeschäft). Das verdeckte Rechtsgeschäft ist nur dann wirksam, wenn alle Umstände für das Geschäft stimmen. Hier ist das 100.000€ Geschäft nicht gültig, da es nicht notariell beglaubigt wurde. (Nicht wegen dem Scheingeschäft ungültig)
Anfechtbarkeit der Erklärung, dabei Berücksichtigung
Der Interessen des Erklärenden durch Wahlmöglichkeit zwischen Nichtigkeit und Gültigkeit
Der Interessen des Erklärungsempfängers durch
(Vorläufiges) Wirksamwerden der WE
Erfordernis der Erklärung der Anfechtung (§ 143 I)
Befristung der Anfechtungsmöglichkeit ( § § 121 oder 124)
Ersatz des Vertrauensschadens in bestimmten Fällen
Irrtumsanfechtung
Überblick
Allgemeines
Motivirrtümer sind grundsätzlich unbeachtlich, da sie nicht dazu führen, dass Wille und Erklärung voneinander abweichen
Verschulden des Erklärenden ist ohne Bedeutung (Es kommt nicht darauf an, ob der Irrtum vermeidbar war oder nicht)
Voraussetzungen
Vorliegen eines beachtlichen Irrtums (nur dann anfechtbar, wenn der Erklärende bei Kenntnis der Sachlage, die Erklärung nicht angegeben hätte § 115)
Kausalität des Irrtums für die Abgabe der Erklärung, die angefochten werden soll
Anfechtungserklärung (§ 143 I) (einseitiges Rechtsgeschäft)
Fristgerechte Erklärung der Anfechtung (§ 121 I)
Rechtsfolgen
Rückwirkende Vernichtung der angefochtenen Erklärung, § 142 I
Ersatz des Vertrauensschadens, § 122 IDie beachtlichen Irrtümer im Einzelnen
Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1): Erklärende äußert, was er äußern will, misst aber seiner Äußerung eine andere Bedeutung zu als die, die sie hatte (z.B. „25 Gros Klopapier“)
Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2): Versprechen, Verschreiben
Es gibt Fälle die nicht genau zugeordnet werden können(Ob Erklärungs- oder Inhaltsirrtum); es ist aber egal, da es sowieso anfechtbar ist In Klausuren einem Irrtum zuordnen)Falsche Übermittlung (§ 120): unabsichtlich unrichtige Übermittlung durch Erklärungsboten
Z.B. Man schickt jemanden in eine Buchhandlung um ein Buch für max. 25€ zu kaufen. Der Bote versteht 52€ und kauft eins für 37€. Wird behandelt wie ErklärungsirrtumFehlendes Erklärungsbewusstsein § 119 I Alt. 2 analog (Verschiedene Arten, siehe oben)
§ 119 II: Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft (ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum!)
Bsp: Ich kaufe antike Vase in einem antiken Geschäft. Ich glaube dass sie von alten Ägyptern stammt, sie kommt jedoch aus China. Kein Inhaltsirrtum sondern Motivirrtum über eine Eigenschaft, die wichtig beim Kauf von Antiquitäten ist Anfechtbar
Der Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft §119 II (Ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum)
Eigenschaften
Einer Sache: wertbildende Faktoren
Der Sache anhaftende Merkmale (z.B. Unfallfreiheit)
Tatsächliche und rechtliche Verhältnisse des Gegenstandes, die in Folge ihrer Dauer Einfluss auf den Wert des Gegenstandes haben (z.B. Bebaubarkeit des Grundstücks)
Nicht: Wert der Sache selbst (Ist nicht von Dauer)
Beispiel: Maler eines Gemäldes, Herkunft einer Vase, Wasserdichtigkeit von Stiefeln
Einer Person: Z.B. Alter, Vorstrafen, Konfession usw.
Verkehrswesentlichkeit: Eigenschaft muss von Bedeutung sein für den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck (z.B. Kreditwürdigkeit ist bei Barzahlungsgeschäft nicht verkehrswesentlich)
Hinweis: Anfechtung gem. § 119 II ist nicht selten ausgeschlossen (z.B. bei einer Bürgschaft: man glaubt dass der andere nicht zahlungsunfähig wird und dann wird er es doch: nicht anfechtbar)
- Kausalität des Irrtums für Abgabe der Erklärung, § 119 I a. E.
Subjektiv: „bei Kenntnis der Sachlage“
Objektiv: „bei verständiger Würdigung des Falles“ = „frei von Eigensinn, subjektiven Launen und törichten Anschauungen
Hätte jemand, der alle Hintergründe kennt und frei von Launen ist die Erklärung abgegeben?
Bsp: Ich buche schriftlich Zimmer 13 in einem Hotel, meinte aber 31. Beide Zimmer sind gleich und liegen nebeneinander. Der einige unterschied ist die Zimmernummer. Ich bin abergläubisch und will nicht in Zimmer 13 schlafen.
Erklärungsirrtum aber für die Anfechtung fehlt es an Objektivität, demnach nicht möglich
Erklärung der Anfechtung, § 143 (durch WE, einseitiges Rechtsgeschäft)
Es reicht schon wenn jemand sagt „Ich möchte nicht an den Inhalt dieser Erklärung gebunden bleiben“. Die Worte Anfechtung oder Erklärungsmangel müssen nicht fallen
Anfechtungsgegner: Vertragspartner, EmpfängerAnfechtungsfrist, § 121
Unverzüglich (≠ sofort; kurze Gedenkzeit) nach Entdeckung des Irrtums (§121 I 1): keine Spekulation mit dem Anfechtungsrecht
Nach Ablauf von zehn Jahren seit Abgabe der Erklärung ausgeschlossen (§121 II)Rechtsfolgen
§142 I: rückwirkende Nichtigkeit des erfolgreich angefochtenen Rechtsgeschäfts (Nichtigkeit „ex tunc“)
§122 I: Verpflichtung des Anfechtungsberechtigten zum Ersatzdes Vertrauensschadens
Vertrauensschaden: Schaden, den Erklärungsempfänger erlitten hat, weil er auf die Gültigkeit der WE vertraut hat: Erklärungsempfänger ist so zu stellen, wie wenn er nie etwas von dem Geschäft gehört hätte
Begrenzung des Ersatzes auf das Erfüllungsinteresse: Erklärungsempfänger darf nicht besser stehen, wie wenn das Geschäft durchgeführt worden wäre
Ausschluss des Ersatzes, wenn Erklärungsempfänger Anfechtbarkeit kannte oder erkennen konnte
Beispiel:
P. vermietet ein Haus an der Ostsee. Ich miete es für 650€ (Preisvorschlag). Am nächsten Tag kommt eine Frau, die die Wohnung für 700€ genommen hätte, der P. aber nach meiner Zusage abgesagt hat. Er verschickt die Schlüssel per Post (10€, Einschreiben). Ich habe mich aber vertan und meinte 560€.
Vertrauensschaden
Erklärungsempfänger ist so zu stellen, wie wenn er nie etwas von dem Geschäft gehört hätte: darf P also 710€ verlangen?
Nein, höchstens 640€ (10€ Porto aus eigener Tasche bezahlt). Er darf höchstens so viel verlangen,
wie er durch meine WE erlangt hätte
Anfechtung wegen Täuschung und Drohung
Wichtig: Bei Täuschung anfechtbar über § 119 und § 123 I. Motivirrtümer nur über § 123 I
Allgemeines
Grund für Anfechtbarkeit ist Einwirkung auf die Willensbildung: auch Motivirrtümer, die auf einer Täuschung beruhen, berechtigen zur Anfechtung (§ 123 I)Arglistige Täuschung:
Tatbestand der arglistigen Täuschung:
Täuschung: Verhalten, das darauf abzielt, in einem anderen eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen, zu bestärken oder zu unterhalten Unterlassen: nur dann, wenn Aufklärungspflicht besteht
Arglist: bedeutet Vorsatz (auch gegeben bei Aussagen „ins Blaue hinein“)
Kausalität der Täuschung (§123 I: durch Täuschung „bestimmt“): fehlt bei misslungener Täuschung oder wenn Irrtum für Abgabe der Erklärung nicht ursächlich
Widerrechtlichkeit der Täuschung: wird im Gesetz als selbstverständlich vorausgesetzt und fehlt nur bei „Recht auf Lüge“
Beispiele:
- Mitarbeiterin fragt Kollegen was ein Gros sei. Er sagt „Große Rolle“. Sie bestellt daraufhin 20 Gros.
Inhaltsirrtum + Täuschung - A. verkauft mir ein Auto und sagt es habe 17.000km gefahren, in Wahrheit sind es aber 100.000km
Anfechtung nach § 119 und 123 I - A . sagt ein Auto sei unfallfrei und verkauft es. Er glaubt dies selbst, hat es aber nicht überprüft.
Hinterher stellt sich heraus, es ist nicht unfallfrei. Arglist - A. erwähnt überhaupt nicht wie viele Kilometer der Wagen gelaufen hat.
Nur dann eine Täuschung, wenn A. aufklärungsverpflichtet ist - Frage „Sind sie schwanger/homosexuell/vorbestraft?“ Antwort: „Nein“, obwohl dies nicht stimmt.
Rechtmäßige Täuschung, da diese Fragen nicht zulässig sind
Problem: Täuschung durch Dritte, §123 II 1. „Dritter“ ist nicht, wer „im Lager“ des Erklärungsempfängers bei dem Geschäft als Hilfsperson tätig geworden ist (z. B. Vertreter oder vom Erklärungsempfänger beauftragter Makler)
(Kann nur angefochten werden, wenn der Erklärungsempfänger die Täuschung kannte oder
kennen musste)
Verhältnis von Täuschung und Irrtum i.S.d. §119: häufig liegt beides gleichzeitig vor
Beispiele:
Ich stehe im Supermarkt an der Kasse an. Der Kassierer ist sich nicht sicher, was ein Produkt kostet.
Ich träume und höre seine Frage nicht. Der Mann hinter mir sagt „8€“, weil er genervt vom warten
ist. In Wahrheit kostet das Produkt 12€.
Täuschung durch einen Dritten. Der Erklärungsempfänger (ich) muss die Täuschung gekannthaben oder gekannt haben müssen, damit diese Tat anfechtbar ist
Ich möchte meine Wohnung verkaufen und bin mir bewusst darüber, dass diese einige
sanierungsbedürftige Stellen hat. Ich engagiere einen Makler und sage es diesem auch. Dieser sagt
jedoch gegenüber den Interessenten, die Wohnung sei in einem 1a Zustand. Der Vertrag wird
unterschreiben.
Ist ohne weiteres anfechtbar, da Makler kein Dritter ist. Ich habe ihn engagiert und er handeltim selben Interesse
Widerrechtliche Drohung
Drohung: In Aussichtstellung eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (im Unterschied zur Warnung)
Kausalität der Drohung für Abgabe der vom Drohenden intendierten Willenserklärung
Beispiel:
„Wenn sie mir nicht 10.000€ geben, wird Ihnen in nächster Zeit etwas auf dem Heimweg zustoßen“ Die Person, der gedroht wurde, kauft sich ein Pfefferspray.
Kauf ist nicht anfechtbar, da die Kausalität fehlt (es wird keine WE abgegeben)
Rechtswidrigkeit der Drohung:
Widerrechtlichkeit des Mittels
Widerrechtlichkeit des Zwecks
Einsatz dieses Mittels zur Erreichung dieses Zwecks ist widerrechtlich: Widerrechtlichkeit aus Zweck-Mittel-Relation
Person des Drohenden irrelevant (anders bei Täuschung, s. o.)
Beispiele:
- Lange Verhandlungen von zwei Unternehmen. Irgendwann heißt es „Wenn dieser Vartrag nicht
zustande kommt, verhandeln wir nie wieder miteinander“
Widerrechtlichkeit nicht gegeben Bei einem Verkehrsunfall bin ich mir sicher dass der andere Schuld hat (ich kenne ihn zufällig). Ich bitte Ihn mir zu unterschreiben, dass er für den Schaden aufkommt. Wenn nicht so werde ich ihn anzeigen für eine Fahrerflucht vor einem Jahr, von der ich weiß.
Zweck (Bitte um Unterschrift) ist okay, Mittel (Anzeige) ist okay, aber dieses Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist widerrechtlichWeitere Voraussetzungen der Anfechtung
- Erklärung, §143
- Anfechtungsfrist, §124
• Ein Jahr seit Entdeckung der Täuschung bzw. seit Beendigung der Zwangslage (§124 I, II 1)
• Nach Ablauf von zehn Jahren seit Abgabe der Erklärung ausgeschlossen, §124 III
- Rechtsfolgen der Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung
Rückwirkende Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts,§142 I
Keine Verpflichtung des Anfechtenden zum Ersatz des Vertrauensschadens
Prüfungsschema: Voraussetzung der Anfechtung
Zulässigkeit: Nur WE können angefochten werden
Vorliegen eines Anfechtungsgrundes:
- Irrtum
- Täuschung
- Drohung
Erklärung der Anfechtung, §143
Wahrung der Anfechtungsfrist
- Bei Irrtumsanfechtung: §121
- Bei Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung: §124