Strafrecht - Allgemeiner Teil XXVIII

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Klasse 13

Autor Wimmer96

Veröffentlicht am 07.11.2018

Schlagwörter

Strafrecht

Zusammenfassung

Das Strafrecht behandelt die, Frage ob ein Vergehen eine Rechtsverletzung darstellt und in welchem Ausmaß diese verfolgt wird. Diese Serie an Referaten bildet einen Überblick über das Strafrecht. Genauer gesagt über den Allgemeinen Teil 1.

Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen ist nicht immer einfach, denn meistens gibt es Vermischungen = sogenannte mehrdeutige Verhaltensweisen. Beispiel dafür ist ein Radfahrer, der in der Dunkelheit einen Menschen niederfährt (=tun), weil er die Beleuchtung nicht eingeschaltet hat (=Unterlassen). Man muss sie unterschieden von den in mehrere Phasen zerlegbare Handlungsabläufe. Diese haben eine selbstständige strafrechtliche Prüfung und unterliegen allfälliger Konkurrenz.
Bei allen mehrdeutigen Verhaltensweisen stellt sich die Vorfrage, ob die erfolgsverursachende Handlung unter dem Aspekt eines Tuns als Begehungsdelikt oder unter jenen des Unterlassens als unechtes Unterlassungsdelikt einzuordnen und anzuklagen ist. Dies ist wichtig, weil die rechtlichen Voraussetzungen der Bestrafung wegen Herbeiführung eines Erfolgs durch Unterlassen zum Teil andere und wesentlich enger sind als i Falle eines Tuns. Dies wirkt sich zu Gunsten des Angeklagten aus, weil es Möglichkeiten des Tatbild- bzw. Gebotsirrtums eröffnet und der Täter oft milder bestraft wird.
Dem Gesetz entspricht der Primat des Tuns = Grundsatz vom Vorrang des Tuns. Man geht also bei mehrdeutigen Verhaltensweisen vom Tun aus, weil die Herbeiführung des Erfolgs durch ein Tun prinzipiell strafwürdiger erscheint als beim Unterlassen. Dieser Grundsatz setzt voraus, dass jemand durch ein bestimmtes Tun eine Gefahr herbei-führt oder vergrößert und gleichzeitig seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, eine Rechtsgutsbeeinträchti-gung hintanzuhalten. Bei den Scheinwerfer wird also fahrlässige Tötung geprüft und aus der Unterlassungskompo-nente die Fahrlässigkeit abgeleitet.
Es gibt aber auch Ausnahmen von diesem Grundsatz, daher sollte man präziser vom Primat des strafbarkeitsaus-schöpfenden Tuns sprechen.
Auf den Unterlassungsaspekt ist zurückzugreifen, wen der Täter wegen des Tuns nicht bestraft werden kann, weil er insoweit nicht tatbestandsmäßig, rechtmäßig oder jedenfalls schuldlos gehandelt hat. Ein Lkw-Fahrer bemerkt nicht, dass er Öl verliert (=Tun), erst als er bei einer Pause es zufällig entdeckt. Trotzdem bringt er keine Warnhin-weise an (=Unterlassen) und später verunglückt wegen dem Öl ein anderer tödlich. Wegen des Tuns entfällt schon die objektive Sorgfaltswidrigkeit, aber nach dem Unterlassen ist er wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen.
Manchmal ist der Erfolg nicht allein auf ein fahrlässiges Tun, sondern zugleich auf ein daran anschließendes vorsätzliches Unterlassen zurückzuführen. A stößt B fahrlässig ins Wasser und unterlässt es vorsätzlich, ihm zu helfen, nachdem dieser um Hilfe schreit. Der Tod darf bei der Strafzumessung aber nicht zweimal angelastet werden.
Bei Abbruch eigener Rettungsbemühen ist nach dem sozialen Sinn der Handlung in der Regel allein Unterlassen anzunehmen. So muss sich der Retter, der die Herdruckmassage zu früh abbricht wegen Unterlasen verantworten. Wenn aber ein dritter fremde Rettungshandlungen vereitelt (=Tun). Wenn C den A davon abhält, dem ertrinkenden B zu helfen, muss sich C wegen Tuns verantworten und ist als unmittelbarer Täter zu bestrafen wegen Mord.
Dieser Primat des strafbarkeitsausschöpfenden Tuns durch die Rechtsprechung des OGH hat dazu beigetragen, dass der Einzugsbereich des unechten Unterlassungsdelikts wesentlich reduziert erscheint.

Aufbau des unechten Unterlassungsdelikts

Der Tatbestand der unechten Unterlassung wird mit Hilfe des §2 aus dem Tatbestand des entsprechenden Begehungsdelikts abgeleitet. Er setzt sich teil aus geschriebenen, teils aus ungeschriebenen Tatbestandmerkmalen zusammen und ist in der nachfolgenden Reihenfolge zu prüfen.

  1. Eintritt des Erfolgs:
    beim vollendeten unechten Unterlassungsdelikt muss der Erfolgs tatsächlich eingetreten sein. Wenn der Bade-meister nichts für den Ertrinkenden tut und dieser von einem Dritten gerettet werden muss, ist er wegen ver-suchter Tötung zu verurteilen. Dasselbe gilt, wenn die hypothetische Kausalität nicht nachweisbar oder der eingetretene Erfolg nicht objektiv zurechenbar ist.
  2. Nichtvornahme des gebotenen Tuns:
    Die Tathandlung besteht in der Nichtvornahme eines gebotenen Tuns. Geboten ist stets ein solches Tun, das darauf gerichtet ist, den tatbestandmös0gen Erfolg möglichst rasch und sicher abzuwenden. Dies ist aus ex-ante Sicht von einem objektiven Beobachter zu beurteilen zum Zeitpunkt der Vornahme.
    Diese Beurteilung hat strikt fallspezifisch zu erfolgen. Damit kommt es auf die konkreten Umstände drauf an, also auf den Wissensstand, die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Verpflichteten, die Art und Intensität dr Gefahr, die räumliche Nähe zur Gefahrenstelle, das Vorhandensein der zur Rettung notwendigen Hilfsmittel sowie der zu ihrem Einsatz erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse. So muss die Mutter entscheiden, ob ein Kind, das sich die Hand mit kochendem Wasser verbrannt hat, nur Salbe braucht, zum Arzt gehen muss oder es sofort ins Krankenhaus gebracht werden muss.
    Wie beim echten Unterlassungsdelikt lässt schon die Vornahme einer Handlung mit Erfolgsabwendungstendenz den Tatbestand entfallen. Der Täter muss aber alles dafür getan haben, dass der Erfolg best- und raschestmög-lich abgewendet wird. Wenn er zu wenig oder das Falsche tut, kann er unter Umständen wegen fahrlässiger Tat bestraft werden.
  3. Tatsächliche Handlungsmöglichkeit:
    Die erfolgsabwendende Handlung muss vom Täter tatsächlich möglich sein. Diese ungeschriebene Tatbestand-einschränkung beruht auf dem Prinzip ultra posse nemo obligatur (Niemand kann über seine Kenntnisse hinaus bestraft werden). An dieser tatsächlichen Handlungsmöglichkeit kann es fehlen, wen der Betreffende blind, gebrechlich, verletzt oder zu weit entfernt ist, Die Hilfsmittel, Erfahrungen oder Kenntnisse nicht besitzt und auch keine hilfsfähige Person alarmiert werden kann. Die tatsächliche Handlungsmöglichkeit darf weder mit dem strafrechtlichen Handlungsbegriff noch mit der Zumutbarkeit verwechselt werden. Wenn ein Vater sein an ihn klammerndes Kind nicht wegen einem Brand aus dem Fenster zum Retter werfen kann, ist dies eine Frage der Zumutbarkeit und deshalb der Schuld.
  4. Hypothetische Kausalität und objektive Zurechnung:
    Nach herrschender Meinung gilt die Äquivalenztheorie auch hier, allerdings mit Modifikationen.
    Die Kausalität des Unterlassens für den eingetretenen Erfolg muss durch Hinzudenken des gebotenen Tuns ermittelt werden. Ein Unterlassen ist kausal für den Erfolg, wenn das gebotene Tun nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Die Anforderungen an den Gewissheitsgrad dürfen aber nicht überspannt werden. Eine allenfalls verbleibende tatsächliche Ungewissheit darf nicht zu Lasten des Täters gehen. Es gilt in dubio pro reo, was bei vorsätzlicher Unterlassung zur Bestrafung wegen Versuch führen kann.
    Objektive Zurechnung findet auch hier Anwendung, weil hier ebenfalls zwischen der Kausalität und der Haf-tungsfrage zu unterschieden ist. An der Kausalitätsformel ist festzuhalten, weil sie in der Regel trennscharfe und nachvollziehbare Ergebnisse liefert.