Strafrecht - Allgemeiner Teil 2 I

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Klasse 13

Autor Wimmer96

Veröffentlicht am 07.11.2018

Schlagwörter

Strafrecht

Zusammenfassung

Das Strafrecht befasst sich mit der Frage ob ein Vergehen eine Rechtsverletzung darstellt und in welchem Ausmaß diese verfolgt wird. Diese Serie an Referaten bildet einen Überblick über das Strafrecht. Genauer gesagt über den Allgemeinen Teil 2.

Diversion

Begriff und Wesen

Diversionen sind staatliche Reaktionen auf leichtere Straftaten weniger gefährlicher Täter, wobei auf ein formelles Strafverfahren verzichtet oder ein solches, ohne Schuldspruch und ohne eine formelle Sanktion zu verhängen, beendet wird. Es ist gekennzeichnet durch freiwilliges Mitwirken des Beschuldigten, Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung und sie hat eine opferbezogene Ausrichtung.
Diversion bedeutet keine Entkriminalisierung. Es gibt lediglich keine Sanktionen, sondern es gibt ein dem Strafverfahren vorgeschaltetes Verfahren, bei dem der Beschuldigte seine Bereitschaft, Verantwortung für die Tat zu übernehmen, unter Beweis stellt.
Ein Ersttäter bleibt unbescholten und wird nicht stigmatisiert, dies ist aber auch bei Vorbestraften möglich. Es gibt keine weiteren rechtlichen Nachteile man scheint im Geschäftsregister der Staatsanwaltschaft auf, damit Diversionen bei späteren Anzeigen im Rahmen der Präventivüberlegungen berücksichtigt werden können.
Herkömmliche Sanktionen haben destruktive Begleiterscheinungen, daher wird immer öfter zur Diversion gegriffen, damit es keine unnötige Entsozialisierung gibt.
Solche Maßnahmen sind bei Suchtmittelstrafen erfolgreich („Therapie statt Strafe“) und es hat sich herausgestellt, dass Täter nach Anwendung eines Tatausgleichs weniger häufig rückfällig werden als Verurteilte. Es gibt inzwischen mehr diversionelle Erledigungen als gerichtliche Verurteilungen.
Diversion ist auch bei der Kronzeugenregelung vorgesehen. Hier braucht es aber neben dem aktiven Reueverhalten (vor alle Offenbaren wichtiger Informationen) auch ein formelles Geständnis notwendig. Dies ist in §§209a, 209b StPO geregelt.
Diversion bei Finanzstrafsachen (außer Jugendstraftaten) ist nicht zulässig.

Voraussetzungen

Diversion kommt in Betracht, wenn (§198 StPO):
• Ein Offizialdelikt vorliegt,
• Der Sachverhalt hinreichend geklärt ist,
• Das Verfahren nicht nach den §§190 – 192 StPO einzustellen ist,
• Die Schuld nicht als schwer anzusehen wäre und
• Weder spezial- noch generalpräventive Bedürfnisse bestehen.
Diversion ist aber ausgeschlossen, wenn die Tat
• Mit mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist oder
• Den Tod eines Menschen zur Folge hatte.
Ausnahme:
• Der Verdächtige hat den Tod eines Angehörigen verursacht,
• Er hat nur fahrlässig gehandelt,
• Er ist dadurch psychisch schwer belastet und
• Deshalb erscheint eine Bestrafung nicht geboten.

Sonderregeln bestehen für (§198 Abs. 3):
• Amtsmissbrauch: Diversion ist nur zulässig, wenn:
o Schädigung an Rechten bloß gering oder unbedeutend ist und
o Keine Idealkonkurrenz mit §3304 – 307 (Korruption) besteht.
• Sexualdelikte: Diversion ist ausgeschlossen, wenn:
o Tat mit mehr als 3 Jahren Freiheitsstrafen bedroht ist.
Bei Jugendstraftaten und Straftaten junger Erwachsener kommt Diversion nach §7 Abs. 1 JGG auch in Betracht:
• Die Tat mit mehr als 5 Jahre Freiheitsstrafe bedroht ist oder
• Generalpräventive Gründe vorliegen, weil diese nicht zu berücksichtigen sind.
Bei strafrechtlich verantwortlichen Verbänden gelten folgende Abweichungen (§19 VbVG):
• Die „nicht schwere Schuld“ ist keine Voraussetzung für Diversion.
• Der Verband muss den Schaden gutgemacht und andere Tatfolgen beseitigt haben
• Der Tatausgleich und Bewährungshilfe sind nicht vorgesehen.
• Maximale Geldbuße beträgt 50 Tagessätze.
• Vorläufiger Rücktritt auf Probezeit ist bis zu einer Probezeit von 3 Jahren möglich.
• Gemeinnützige Leistungen unterliegen nicht den zeitlichen und sachlichen Beschränkungen
Ob die Schuld nicht schwer ist, ist nach Strafzumessungsgesichtspunkten (§32) zu ermitteln. Keine Voraussetzung ist, dass die Schuld als nur gering anzusehen wäre.
Schwere Schuld (damit Ausschluss der Diversion) ist nicht erst bei Überwiegen von Erschwerungsgründen (§33) anzunehmen, sondern wenn der Handlungs- und Gesinnungsunwert insgesamt eine Unwerthöhe erreicht, die als auffallend und ungewöhnlich zu beurteilen ist. Also wenn die Wertung der Schuldkomponente jener Unrechts. Und Schuldgehalt erheblich übersteigt.

dabei ist eine deliktsübergreifende Sicht maßgebend. Daher indiziert auch grobe Fahrlässigkeit keine schwere Schuld im Sinne des §198 StPO. Also zählen brutale Vergehen, Weitergabe von Kinderpornos, Tatbegehung trotz anhängigem Strafverfahren oder kurz nach der Verurteilung, bei langem Tatzeitraum oder Schmiergeldzahlungen über Jahre hinweg, dazu. Verkehrsunfälle oder erstmaliger Ladendiebstahl zählen nicht dazu.

Präventionsbedürfnisse sind in zweifacher Hinsicht zu berücksichtigen:
• Einerseits muss der Täter schon allein durch das bisherige Ermittlungsverfahren oder durch sonstige Umstände genügend abgeschreckt sein, weitere solche Straftaten zu begehen (Spezialprävention). Geständnis ist keine Voraussetzung, sondern nur Schuldeinsicht, die sich auf die Diversion und freiwillige Erbringen einer Leistung manifestiert. Er muss nur dafür bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Wen er aber zuerst leugnet und erst nach einer Überführung zur Diversion bereit ist, gibt es keine.
• Andererseits dürfen durch die Straflosigkeit andere Personen zur Strafbegehung nicht bestärkt werden (Generalprävention).
Sind mehrere Straftaten ein einem Verfahren zu beurteilen (Realkonkurrenz), so darf nicht bei einer Tat Diversion und bei der anderen ein Schuldspruch erfolgen, dies würde eine unzulässige Reaktionskumulierung darstellen. Eine Ausnahme besteht bei Konkurrenz einer allgemeiner Straftat mit einer nach dem SMG, weil die dort vorgesehene Diversion im Hinblick auf das Prinzip „Therapie statt Strafe“ speziell ausgestaltet ist. Bei der Realkonkurrenz von solchen Straftaten ist eine Diversion und Schuldspruch ebenfalls unzulässig.

Verfahren

Der Staatsanwalt hat das Anklagerecht. Wenn alle Voraussetzungen für eine Diversion vorliegen, tritt sie von der Verfolgung zurück. Dies ist aber nur möglich, wenn sie noch nicht Anklage erhoben hat. Danach kann sie es nur noch bei Gericht beantragen (§209 Abs. 1 StPO).
Nach Erhebung der Anklage hat das Gericht bis zum Schluss der Hauptverhandlung diversionelle Maßnahmen von Amts wegen anzuwenden. Vor Mitteilung an den Beschuldigten hat das Gericht die Staatsanwaltschaft zu hören. Das Verfahren wird mit Beschluss eingestellt (§199 StPO). Dieser wird dem Beschuldigten erst zugestellt, nachdem er gegenüber der Staatsanwaltschaft rechtskräftig geworden ist (§209 Abs. 2 StPO).
Ob ein bestimmter Fall für Diversion geeignet ist und welche Diversionsmaßnahme am sachgerechtesten wäre, kann auch vorweg durch die Clearing-Stelle beauftragte Geschäftsstelle für den Tatausgleich (§29 BewHG) beurteilt werden oder durch den Staatsanwalt oder das Gericht selbst (§208 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte ist vor jeder Diversion über seine Rechte zu informieren (§207 Abs. 1 StPO).