Bilanzen IV - Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)

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Klasse 11

Autor 19Wimmer96

Veröffentlicht am 01.11.2018

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GoB ordnungsgemäße Buchführung

Zusammenfassung

Im vierten Teil über den Überblick von Bilanzen geht es um das Thema der ordnungsgemäßen Buchführung, den sogenannten GoB. Dabei wird erklärt welche verschiedenen Grundsätze es gibt und was dies für die Ersteller von Bilanzen bedeutet.
 Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

≡ Regeln, die angeben, wie Buchhaltung, Inventar und Jahresabschluss zweckmäßigerweise gestaltet sein sollten, und die aber nicht unbedingt gesetzlich kodifiziert sind.
•Das Gesetz verweist vielfach auf sie, etwa in §§238 Abs. 1, 239 Abs. 4, 241 Abs. 1, 2 und 3, 243 Abs. 1, 256, 257 Abs. 3, 264 Abs. 2, 297 Abs. 2, 322 Abs. 3 HGB
Ohne Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) …
•wäre das Gesetz mit Details überladen,
•müsste das Gesetz noch häufiger und rascher an Veränderungen angepasst werden und
•wäre der Weg frei für noch mehr kasuistische Abwägungen von Interessen.
Allerdings konkretisiert der Gesetzgeber die GoB immer stärker im Gesetz
und gibt so die Interessenabwägung zunehmend vor!
Ermittlung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung:

  1. Induktive Methode GoB leiten sich aus den Gepflogenheiten ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute ab.
    •Wie erkennt man ehrenwerte Kaufleute?
    •Nicht alle ehrenwerte Kaufleute haben ordentliche Bücher –das zeigte sich in der Weltwirtschaftskrise!
    •Wenn man ehrenwerte Kaufleute nur an ihrer ordentlichen Buchführung erkennen kann, beruht die Definition auf einem Zirkelschluss!

  2. Deduktive Methode GoB sind aus den Aufgaben der Rechnungslegung so herzuleiten, dass die Aufgaben gut erfüllt werden.
    •Die Aufgaben der Rechnungslegung sind vielfältig.
    •Jahresabschlüsse können jede der möglichen Aufgaben nur höchst unvollkommen erfüllen.
    •Schon die besten Regeln zur Erfüllung einer Aufgabe lassen sich daher nicht objektiv finden.
    •Zusätzlich muss man die Bedeutung der Funktionen abwägen.

  3. Bestimmung durch einen politischen Prozess Gesetzgeber und Gerichte wägen Funktionen und Regeln ab.
    •Im Gesetz werden die grundlegenden Weichen gestellt, indem die Aufgaben vorgegeben und die bevorzugten Grundregeln festgelegt werden.
    •Gerichte entscheiden im Einzelfall und Kommentare antizipieren wahrscheinliche künftige Urteile.
    •Die Fachliteratur diskutiert aktuelle Probleme und alternative Konzeptionen

Inhalte der wichtigsten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung:
Rahmengrundsätze:
•Richtigkeit / Willkürfreiheit und Objektivität entsprechend den gültigen Regeln aus ordnungsgemäßen Belegen und ordentlichen Büchern abgeleitet, Posten zutreffend bezeichnet und Schätzungen willkürfrei und vertretbar
•Vergleichbarkeit / Stetigkeit (Kontinuität) materielle Stetigkeit: Gliederung: streng (§265 Abs. 1 HGB für Kapitalgesellschaften i. w. S.), Ansatz: streng (§246 Abs. 3 HGB), Bewertung: streng (§252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) formelle Stetigkeit: Bilanzidentität: Bilanz per 31.12.X = Bilanz per 1.1.X+1 (§252 Abs. 1 Nr. 1 HGB)
Klarheit und Übersichtlichkeit (§243 Abs. 2 HGB) genügend tief in aussagefähige, den Inhalt treffend charakterisierende Posten untergliedert und sinnvoll geordnet
•Vollständigkeit / Stichtags-und Periodisierungsprinzip Vollständigkeit auf Basis sämtlicher buchungspflichtiger Geschäftsvorfälle und nach Berücksichtigung:
•der Inventur
•der Preisentwicklungen auf dem Markt sowie
•aller Risiken und deren Analyse im Blick auf die Ansprüche und Verpflichtungen der Gesellschaft
Vollständigkeit / Stichtags-und Periodisierungsprinzip Informationen, die erst nach dem Bilanzstichtag zugehen, müssen im Jahresabschluss …
•berücksichtigt werden, soweit sie Sachverhalte betreffen, die vor dem Bilanzstichtag eingetreten waren und zum Bilanzstichtag eindeutig hätten bekannt sein können (Wertaufhellung); •unberücksichtigt bleiben, soweit sie Sachverhalte betreffen, die erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind (Wertbeeinflussung) → (§252 Abs. 1 Nr. 4 HGB)
Dokumentationsgrundsätze:
•Grundsatz des systematischen Aufbaus
•Grundsatz der Sicherung von Vollständigkeit, Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens durch ein angemessenes internes Kontrollsystem
•Grundsatz der verständlichen Aufzeichnung

Systemgrundsätze:
•Fortführung der Unternehmenstätigkeit /Going concern:
Bei der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses „ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen“ (§252 Abs. 1 Nr. 2 HGB):
→keine Bewertung zu Liquidationswerten
→keine Passivierung von Sozialplanansprüchen
→planmäßige Abschreibungen

•Einzelbewertung (§252 Abs. 1 Nr. 3 HGB):
Alle Vermögensgegenstände und Schulden sind einzeln und unabhängig voneinander zu bewerten!
Aktie A von 100 auf 150 gestiegen
Aktie B von 100 auf 80 gefallen
zusammenfassen:
Halle mit Personenaufzug
trennen:
Gaststätte mit Theke und eingebauten Bänken oder Jumbojet und 4 Triebwerke

•Ausnahmen von der Einzelbewertung:
Sachverhalte bleiben unberücksichtigt, soweit sie z.T. nach dem Bilanzstichtag eingetreten sind (Wertbeeinflussung)
Gruppen-und Durchschnittsbewertung (§§240 Abs. 4, 256 HGB)
Verbrauchsfolgeverfahren (§256 HGB)
Festwertverfahren (§§240 Abs. 3, 256 HGB)
gemeinsame (pauschale) Abschreibungen auf Forderungen auf Basis gemeinsamer Risiken (z.B. Ausfallrisiko bei „unauffälligen“ Forderungen)
gemeinschaftliche Rückstellungen für Massenereignisse (z.B. Garantierückstellungen)
„geschlossene Positionen“ aus risikobehafteten Vermögensgegenständen oder Schulden (z.B. Forderungen in $) und Sicherungsgeschäfte (passende $ Futures) (§254 HGB)
•Ausnahmen von der Einzelbewertung:
Die drei Geschäfte bei Kauf:
obligatorisches Geschäft (Kaufvertrag) Käufer verpflichtet sich, Ware zum Preis p zu kaufen; Verkäufer verpflichtet sich, Ware zum Preis p zu liefern
dingliches Geschäft: Eigentumsübertragung Ware; Verkäufer übereignet Ware an Käufer
dingliches Geschäft: Eigentumsübertragung Geld; Käufer übereignet Geld an Verkäufer

Definitionsgrundsätze für den Jahreserfolg:
Realisationsprinzip (§252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) Gewinn ist realisiert, wenn …
•Kaufvertrag (obligatorisches Geschäft) geschlossen und
•Verkäufer alles in seiner Macht stehende getan hat, die Eigentumsübertragung der Ware zu erfüllen
•Realisation bei …
•Übergabe der Ware an den Käufer,
•Übergabe der Ware an den Käufer unter Eigentumsvorbehalt,
•Übergabe der Ware –wie vereinbart –an einen Spediteur oder
•mehrfache Mahnung an den Käufer, das gekaufte Auto vom Hof des Verkäufers abzuholen (Annahmeverzug).
•Realisation bei langfristiger Fertigung:
•bei Beendigung des Gesamtprojekts oder
→Verlust in den Jahren vor Fertigstellung etwa wegen nicht aktivierbarer Vertriebskosten
→Gewinn des Gesamtprojekts zuzüglich aller Vertriebskosten am Ende
•verteilt über die Jahre der Fertigstellung: HGB erlaubt Verteilung nur auf Basis abgrenzbarer Teilleistungen, wobei es verschiedene Vorschläge für Abgrenzungskriterien gibt

•Abgrenzung der Sache und der Zeit nach (§252 Abs. 1 Nr. 5 HGB):
Wertminderungen sind nach der sachlichen Abgrenzung der Periode zuzuordnen, der die sachlich zugehörigen Erträge zugerechnet werden (Rohstoffverbräuche mindern den Erfolg, wenn die daraus entstandenen Produkte verkauft werden).
Streng zeitraumbezogene Wertsteigerungen (z.B. Zinserträge) werden der Periode zugeordnet, in der sie entstanden sind.
Wertsteigerungen ohne Unternehmensleistungen (z.B. Schenkungen) werden der Periode zugerechnet, in der sie angefallen sind.

Kapitalerhaltungsgrundsätze:
Imparitätsprinzip:
Gewinne werden erfasst, wenn sie realisiert sind
Verluste werden erfasst, wenn sie sich mit ausreichender Sicherheit abzeichnen Gewinne und Verluste werden also
•ungleich erfasst („imparitätisch“)
•aber –aus Sicht des Gläubigerschutzes und der Sicherheit des Erfolgs –nicht inkonsequent

•Ausprägung Imparitätsprinzip:
•Gemildertes Niederstwertprinzip bei Anlagevermögen („bei voraussichtlich dauernder Wertminderung“)
•strenges Niederstwertprinzip beim Umlaufvermögen
•Höchstwertprinzip bei Schulden (etwa Verbindlichkeit in $)
•Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften

•Vorsichtsprinzip (§252 Abs. 1 Nr. 4 HGB):
Kaufmann soll sich im Zweifel eher ärmer rechnen:
→zweifelhaftes Vermögen nicht aktivieren
→Schulden im Zweifel passivieren
→Aktiva im Zweifel leicht unter dem Erwartungswert bewerten
→Passiva im Zweifel leicht über dem Erwartungswert bewerten (Wert, der nur mit z.B. 20 % überschritten wird). Imparität ist Ausdruck der Vorsicht!

Quellenangaben
<pre><code> Baetge, J&ouml;rg / Kirsch, Hans-J&uuml;rgen / Thiele, Stefan (2017): Bilanzen, 14. Auflage, D&uuml;sseldorf. </code></pre> <p>Schildbach, Thomas / Stobbe, Thomas / Br&ouml;sel, Gerrit (2013): Der handelsrechtliche Jahresabschluss, 10. Auflage, Sternenfels.</p> <p>NWB-Verlag (Hrsg.): Wichtige Wirtschaftsgesetze (Textausgabe), 30. Auflage, erschienen: 01. Februar 2017</p>