Beziehung zwischen Staaten und dem Finanzsystem

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Klasse 13

Autor Eeurostar

Veröffentlicht am 29.06.2018

Schlagwörter

Rom Venedig Anleihen Finanzen Finanzsystem

Zusammenfassung

In diesem Referat untersuchen wir die historische Entwicklung der Beziehung zwischen Staat und Finanzsystem. Wir möchten herausarbeiten, ob und wenn ja, wie sich die Funktion des Finanzsystems für den Staat sich in der Geschichte verändert hat und welche Auswirkungen diese Veränderungen mit sich brachten.

Beziehung zwischen Staaten und dem Finanzsystem

In diesem Referat untersuchen wir die historische Entwicklung der Beziehung zwischen Staat und Finanzsystem. Wir möchten herausarbeiten, ob und wenn ja, wie sich die Funktion des Finanzsystems für den Staat sich in der Geschichte verändert hat und welche Auswirkungen diese Veränderungen mit sich brachten.

Im alten Rom spielte der Staat nach Peter Temin (2004) eine weniger aktive aber dennoch machtdominierende Rolle im Finanzsystem. Unternehmen im Sinne der heutigen vielfältigen Formen waren in der Zeit noch nicht vorhanden, dennoch bildete sich ein sehr fortschrittlicher Unternehmenstyp als Betreiber hoheitlicher Aufgaben, die der Staat regelmäßig auf Zeit neu ausschrieb. Der Staat kontrollierte damit die wichtigsten Wirtschaftsbereiche ohne eine eigene ausgefeilte Struktur aufzubauen. Dennoch blieben die Produktions- und Handelsstätten wie Häfen, Minen und Land weitgehend in seinem Besitz.

So konnte der Betrieb des staatlichen Besitzes effizient durch unternehmerische Gesellschaften mit Zugang zu externer Finanzierung gestaltet werden. Einnahmen erhielt der Staat hauptsächlich aus den Provinzen durch Kriegsbeute, Zölle und Steuern. Anleihen waren die Ausnahme, denn das System beruhte auf einer Bargeld Basis. Im Vergleich zur heutigen Situation ist die Struktur und das Selbstverständnis des Staates eine ganz andere. In der heutigen Zeit ist der Staat auf eine Kooperation mit dem Finanzsystem angewiesen, während der römische Staat sich höchstens im Falle eines akuten Kriegsfalls sich zum Beispiel Anleihen ausstellen ließ.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Finanzsystem in Form von Banken im Mittelalter mehr und mehr für die Staats- und Kriegsfinanzierung zuständig waren. Frederic Lane beschrieb in seinem Werk „Venetian Bankers“ (1937) die Situation des Finanzsystem in Venedig im späten Mittelalter. Lane zufolge hat sich in Venedig um 1499 der Staat von vermögenden Kaufleuten Geld geliehen, um die Getreideversorgung sicherzustellen und um die kriegerischen Auseinandersetzungen gegen andere norditalienische Städte zu finanzieren. In besonders prekären Zeiten wurden Geschäftsleute auch zur Zeichnung von Staatsanleihen gezwungen, so Lane. Im Venedig des 15. Jahrhunderts entstanden erste private Banken, die von Handelsfamilien geführt wurden. Die Anleihen wurden oft an andere Familien weiterverkauft, woraufhin sich schnell ein spekulativer Markt für Anleihen bildete (Lane 1937). Es wird deutlich, dass der Staat, oder im Falle Venedigs, die Kommune, sehr vehement Zwangsanleihen eintrieb. Die Zwangsanleihen waren für die Republik Venedig die einzige Form der Staatsfinanzierung. In der heutigen Zeit sind Staaten in der Staatsfinanzierung weniger auf vereinzelte Banken angewiesen.

Die Bedeutung von Staatsanleihen im heutigen Finanzsystem ist aber trotzdem noch groß. Wenn man die Staatsschuldenkrise der südeuropäischen Staaten ab 2010 beobachtet, erkennt man bestimmte Parallelen zu Finanzkrise der Republik Venedig 1499. Damals wie heute entstanden die Krisen durch Spekulation von Staatsanleihen. Anfangs war das Vertrauen in den Staat und in die Rückzahlungen der Zwangsanleihen groß, doch die Republik Venedig häufte durch die Ausgabe von immer höheren Zwangsanleihen einen immer höher werdenden Schuldenberg an, der Monte Vecchio genannt wurde (Lane 1937). Das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Staates sank auch mit der verzögerten Rückzahlung der Zwangsanleihen. Der Wert der Zwangsanleihen fing mit zunehmender Verschuldung und Verschlechterung der außenpolitischen Lage an stark zu fallen, was dramatische Auswirkungen auf das damalige Finanzsystem hatte.

Viele Banken in Venedig sind in der Folge insolvent gegangen. Frederic Lane sieht in seinem Paper “Venetian Bankers“ den Grund für die Insolvenzen jedoch nicht bei der Zahlungsunfähigkeit der Republik. Lane begründet die Insolvenzen der Banken mit deren zwangsläufigen Verkäufen ihrer alten wertlosen Anleihen, um die neuen Zwangsanleihen tätigen zu können. Der aufkommende Sekundärmarkt für die Zwangsanleihen ist daraufhin vollständig zusammengebrochen (ebd.). Ähnlich reagierten die Gläubiger während der Euro-Krise. Die Gründe für die ansteigende Staatsverschuldung mögen im Mittelalter andere gewesen sein als in Europa im 20. Jahrhundert, aber die Ursachen und resultierenden Effekte sind ähnlich. Der Unterschied des heutigen Finanzsystems sind deutlich restriktivere Grenzen für Staaten. Die Staatsfinanzierung ist im aktuellen Finanzsystem viel komplexer und regulierter als in früheren Epochen. Eine staatlich verordnete Zwangsabgabe oder auch ein sogenannter Schuldenschnitt für private Gläubiger klingt heute nahezu revolutionär.

In den nachfolgenden Epochen wurden Anleihen immer mehr zu einem wichtigen Mittel zur Staats-und Kriegsfinanzierung. Mit der Entstehung erster Finanzzentren in Amsterdam oder London entstanden auch die ersten Börsen für Anleihen. In den napoleonischen Kriegen wurden bestimmte Bankhäuser, wie das Bankhaus Rothschild, schon so mächtig, dass sie mit ihrer Kreditentscheidung den Kriegsausgang beeinflussen konnten (Ferguson 2008). Ihr paneuropäisches Kreditnetzwerk, ein professionelles Kuriersystem und gute Kontakte in die europäischen Fürstenhäuser bescherten dem Bankhaus Rothschild während den Koalitionskriegen einen enormen Zuwachs an Einfluss. Während der napoleonischen Kriege unterstützte das Bankhaus Rothschild die preußisch-britische Allianz mit Krediten, so Ferguson.

Es wurde dabei eine sehr risikoreiche Strategie benutzt, zum Beispiel durch Spekulation über bestimmte Wechselkurse, die dem Bankhaus enorme Gewinne bescherte (ebd.). Wenn man die Situation von 1815 mit der in Venedig von 1499 vergleicht, lässt sich eine eindeutige Rollenverschiebung zwischen Staat und Finanzsystem feststellen. Hatte die Republik Venedig 1499 noch eine hohe Kontrolle über ihre lokalen Banken und konnte für Kriegsfälle Anleihen erzwingen, so fällt die Kontrolle eines multinationalen Bankhauses, wie dem der Rothschilds für einzelne Staaten durchaus schwerer. Die Multinationalität der Rothschilds war in der damaligen Zeit konkurrenzlos in der damaligen Zeit. Eine derartige Dominanz eines einzelnen Bankhauses ist heute schwer vorstellbar. Auch die außenpolitische Situation ist eine andere als im von Kriegen geprägten 19. Jahrhundert.

Im Laufe der Geschichte hat der Staat jedoch neue Möglichkeiten entwickelt, auf die Geldpolitik Einfluss zu nehmen und seine Staatsfinanzierung zu organisieren. Im 17. Jahrhundert entstanden in Holland, Schweden und Großbritannien die ersten Zentralbanken (Bordo 2007). Dies waren meistens private Banken, die das staatliche Monopol innehatten Münzen zu prägen und herauszugeben. Es gab allerdings auch öffentlich Banken, die zentralbankspezifische Funktionen hatten. So ermöglichte die Amsterdamer Wechselbank im frühen 17. Jahrhundert mit der Einführung des Buchgeldes erstmals den Bargeldlosen Verkehr zwischen Banken (Schnabel und Shin 2004). Der Zweck von Zentralbanken war vor allem die Staatsfinanzierung und die Stabilität der Währung, die in Kriegsfällen sehr instabil wurde. Im 19. Jahrhundert wurden Zentralbanken für Staaten außerdem ein wichtiges Instrument zur Regulierung des Bankwesens (Bordo 2007). Der Staat hat im Laufe der Geschichte im Finanzsystem deutlich an Einfluss verloren.

Waren im alten Rom oder im Mittelalter viele Banken der Willkür des Staates ausgesetzt, sind Banken heutzutage multinationale Konzerne, deren Existenz für viele Staaten systemrelevant geworden ist. Dies sieht man insbesondere an der Rettung bestimmter Banken durch Staaten in der Finanzkrise 2008, aber auch der Staatsschuldenkrise in Griechenland, in der Banken als Käufer von Staatsanleihen unverzichtbar geworden sind (Kaiser 2012). Das Geld für die Käufe bekamen die Banken von der europäischen Zentralbank, die die Staatsanleihen nicht selber kaufen darf, aber die Banken mit niedrigsten Zinsen mit Kapital versorgt. Die Europäische Zentralbank nutzte verschiedene Möglichkeiten, damit private Banken Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten kaufen. Dies kann man durchaus als indirekte Form der Zwangsanleihe betrachten, auch wenn die Europäische Zentralbank natürlich nicht so fordernd auftritt, wie der venezianische Staat 1499 und es natürlich nicht als Zwangsanleihe bezeichnen wird.

Auch Staaten sind voneinander stärker abhängig geworden. Durch ein immer globaleres Wirtschaftsleben können Staatspleiten oder Bankenpleiten die wirtschaftliche Situation in anderen Staaten enorm beeinflussen. Protektionistische Isolation, wie sie bedingt in der Antike und in der absolutistischen Neuzeit gewollt war, bietet heute keine wirtschaftspolitische Alternative mehr. Die Rolle des Staates im Finanzsystem ist damit eine ganz andere als in früheren Zeitaltern. Die Akteure des Finanzsystems lassen sich vom Staat deutlich schwerer kontrollieren, als es früher der Fall war. Insbesondere die zunehmende Multinationalität macht die Kontrolle für den einzelnen Staat schwerer. Insofern müssen Staaten in Zukunft viel enger zusammenarbeiten, um von der neuen Komplexität des Finanzsystems zu profitieren.