Der Bundespräsident im Vergleich zum Reichspräsidenten - Lehren aus Weimar
Der Bundespräsident im Vergleich zum Reichspräsidenten - Lehren aus Weimar
Der Reichspräsident
- Weimarer Reichsverfassung: stark plebiszitär demokratisch, semipräsidentiell
- Präsident vom Volk gewählt (2 Wahlgänge), unmittelbare Legitimation, kann Regierung ohne Parlamentsbeschluss bilden, ernennt Kanzler, kann Gesetze dem Volk zum Beschluss vorlegen
- Existenz der Regierung hängt von Parlamentsmehrheit ab, Misstrauensvotum kann Reichskanzler stürzen, Kanzler ist von Präsident und Parlament abhängig
- wurde „Ersatzkaiser“ genannt, wegen seiner Machtfülle und da Leute sich schwer von Monarchie verabschieden konnten
- Wichtigste Kompetenzen
- Regierungsbildung: konnte Reichskanzler nach Ermessen ernennen, sollte zwar Mehrheit berücksichtigen, aber es gab fast nie Mehrheit im Reichstag
- Reichstagsauflösung: kann RT nach Ermessen auflösen (einzige Einschränkung: nur einmal aus dem gleichen Anlass)
- Notverordnungskompetenz: Art 48 WRV kann bei Bedrohung öffentlicher Ordnung Verfassung außer Kraft setzen (Ermessensentscheidung, ohne RT- Beschluss), kann auf Verordnungswege regieren ohne RT, RT kann theoretisch Notverordnungen außer Kraft setzen aber Auflösungsdrohung!
- Reichsexekution: (vgl. heute Bundeszwang) kann nach Ermessen Land mit Reichswehr zu etwas zwingen (könnte auch von RT außer Kraft gesetzt werden)
Der Bundespräsident
Wahl
- auf 5 Jahre verkürzt
- indirekt durch Bundesversammlung (nach Mehrheiten der Parteien)
- 3 Wahlgänge (1+2 absolute, 3. Relative Mehrheit)
- Kritik: sollte unparteiisch erfolgen, da Parteien dominieren
Harte Kompetenzen
- auch Reservekompetenzen genannt (im Ausnahmefall wichtig)
- Begnadigungsrecht (nur für Täter möglich, die von Bundesgericht verurteilt wurden)
- (primär andere Organe zuständig, BP als Ersatzmann wenn diese nicht mehr funktionieren)
- Politische Kompetenzen
- Regierungsbildung: Vorschlag des Kanzlerkandidaten im 1. Wahlgang (muss sich an Mehrheit im BTag orientieren) falls Kanzlerwahl nach 3 Anläufen misslingt, kann BP nach Ermessen entscheiden: entweder Minderheitskanzler ernennen oder BT auflösen
- Bundestagsauflösung: wenn Vertrauensfrage scheitert, kann Kanzler den BP um BT-Auflösung bitten, BP kann auch hier nach Ermessen entscheiden
- Gesetzgebungsnotstand (Art. 81): Kontext: Vertrauensfrage gescheitert und BT nicht aufgelöst; Minderheitsregierung aber Neuwahlen machen keinen Sinn, bestimmte Gesetze müssen aber verabschiedet werden, v.a. Haushalt, wenn BT sich weigert, kann BP mit BRat-Zustimmung Gesetzgebungsnotstand erklären -> BRat kann ohne Regierung Gesetze verabschieden (nur einmal und nur max. halbes Jahr, noch nie angewandt)
- Unterschied zu Weimarer Reichspräsidenten:
- RP konnte die Regierung immer nach Ermessen bilden, BP kann es nur bei Scheitern des BTs
- RP konnte Reichstag immer nach Ermessen auflösen, BP kann es nur bei Misslingen der Kanzlerwahl oder wenn Vertrauensfrage gescheitert ist
- Entspricht im wesentlichen Weimarer Notverordnungen, doch RP konnte ohne Parlamentsermächtigung Notstand ausrufen
- Rechtliche Kompetenzen
- Notarfunktion: BP ernennt praktisch immer (früher konnte er z.B. ehemalige Nazis ablehnen)
- Gesetzprüfungskompetenz: jedes Gesetz wird auf Verfassungskonformität geprüft
- Formale Fehler: Bsp: Gesetz wurde ohne BR-Zustimmung beschlossen, Gesetz wurde für nicht zustimmungspflichtig gehalten
- Materiale: auf Grundrechtsverletzungen geprüft (Bsp: Geiselnahme abschießen?)
- Im Regelfall fertigt BP Gesetz auch bei Äußerung erheblicher Zweifel aus, aus Respekt vor Verfassungsgericht (darf erst nach Verabschiedung geprüft werden)
Weiche Kompetenzen
- (im Alltag wichtig)
- Repräsentieren: eine Person soll Staat nach innen und außen repräsentieren (-> wie König)
- Integrieren: Bürger des Staates hinter sich vereinen, muss über den Parteien stehen, charismatisch sein, Ideen mit denen man sich identifizieren kann, muss guter aber unparteiischer Redner sein
→ Lehren aus Weimar: Beschneidung der Kompetenzen, heute überwiegend repräsentativ