Strafrecht - Allgemeiner Teil XV

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Klasse 13

Autor Wimmer96

Veröffentlicht am 07.11.2018

Schlagwörter

Strafrecht

Zusammenfassung

Das Strafrecht befasst sich mit der Frage ob ein Vergehen eine Rechtsverletzung darstellt und in welchem Ausmaß diese verfolgt wird. Diese Serie an Referaten bildet einen Überblick über das Strafrecht. Genauer gesagt über den Allgemeinen Teil 1.

Verbotsirrtum

Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Täter das Unrecht seiner Tat nicht erkennt. Es ist also die Kehrseite des Unrechtsbewusstseins. Es ist egal, ob der Täter eine falsche oder gar keine Vorstellung von seinem Unrecht hat, denn bei beidem fehlt ihm die Einsicht, Unrecht zu tun. Wissentliches Handeln schließt ein Verbotsirrtum nicht eo ipso aus.
Der Verbotsirrtum wird im OGH und StGB auch Rechtsirrtum genannt.
Es gibt einen direkten und indirekten Verbotsirrtum.
Beim direkten Verbotsirrtum erkennt der Täter überhaupt nicht, dass seine Tat verboten und daher Unrecht ist.
Dies ist im Kernbereich der herkömmlichen Delikte kaum wichtig, aber im Nebenstrafrecht mit seinen unzähligen und teilweise unbekannten Vorschriften. Hier bezweifelt man, dass sogar ein maßgerechter und rechtstreuer Mensch das Unrecht hätte erkennen können.
Beim indirekten Verbotsirrtum irrt sich der Täter entweder über die Existenz oder die Grenzen eines Rechtferti-gungsgrundes und erkennt deshalb nicht das Unrecht seiner Tat.
Hier gibt es einerseits den Irrtum über die Existenz eines Rechtfertigungsgrundes und andererseits den Irrtum über die Grenzen eines Rechtfertigungsgrundes, wobei der Täter hier die Grenzen des Grundes zu seinen Gunsten überdehnt. Das gibt es zum Beispiel bei der zeitlichen Schranke der Notwehr.
Die Berufung des Täters auf Verbotsirrtum geht meistens ins Leere und das hat folgende Gründe:
Erstens reicht besonders das aktuelle Unrechtsbewusstsein viel weiter, sodass man normalerweise immer irgendwie das Unrecht erkennen müsste.
Zweitens enthält der §9 eine Ausnahmeregelung, das besagt, dass ein Vorsatztäter immer Unrechtsbewusstsein hat, zumindest im Kernbestand des kriminellen Unrechts. Für diesen Bereich ist beim erwachsenen und schuldfähigen Täter die Verbotskenntnis erfahrungsgemäß gegeben. Das Unrechtsbewusstsein muss man nur bei Zweifel prüfen.
Diese liegen vor, wenn der Täter Ausländer, Jugendlicher oder junger Erwachsener ist, die Auslegung des Delikts ungewiss ist, die Norm ungültig ist, es eine falsche Rechtsauskunft gab, widersprüchliche Entscheidungen vorliegen, der Täter auf das Fehlen seiner Unrechtsbewusstseins explizit berufen hat und dieser Einwand nicht schon als bloße Schutzbehauptung zurückgewiesen wurde.
Bei den Rechtsfolgen ist zu unterscheiden, ob der Verbotsirrtum vorwerfbar oder nicht vorwerfbar ist.
Beim nicht vorwerfbaren Verbotsirrtum entfällt jede Schuld und damit jede Strafe. Es ist ein Schuldausschließungs-grund, diese zielen aber meistens auf Grenzfälle ab. Es wird nur wenig benutzt, aber die Jugendlichen und jungen Erwachsenen profitieren manchmal davon. Im Einzelfall kann es auch bei Erwachsenen angewendet werden, wenn geringe Intelligenz, kontroverse Judikatur, irreführende Information, Duldung durch Vorgesetzten oder unter Umständen völlig überraschende Geschehensabläufe vorhanden sind. Eine falsche Rechtsaussage gilt nur, wenn die Person als vertrauenswürdig angesehen wurde. Das Drängen der Politik oder ein eingerissener Missbrauch zählt nicht. Ausländer, die schon lange in Österreich sind werden behandelt wie Inländer.
Der vorwerfbare Verbotsirrtum ist der Regelfall. Hier bleibt die Schuld und Strafbarkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tat bestehen, er ist aber ein Strafmilderungsgrund.
Wichtig ist vor allem die Konkretisierung des Verbotsirrtums.
Der Irrtum ist vorwerfbar, wenn das Unrecht der Tat für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war. Man arbeitet also ganz gezielt mit einem objektiv-subjektiven Doppelmaßstab.
Er ist auch vorwerfbar, wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonstigen Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre. Den Umstän-den nach ist man also verpflichtet, sich über erhebliche Rechtsnormen seines Berufs- oder Lebenskreises bekannt zu machen. Wichtig ist das vor allem bei Unternehmer, Manager, Verleiher, politische Redakteure, Fahrzeuglenker, Gastarbeiter oder auch Heilpraktikern. Auch hier wird ein objektiv-subjektiver Doppelmaßstab verwendet. In der Praxis werden die Anforderungen dieser nicht vorwerfbare Verbotsirrtum gerne überspannt.
Der vorwerfbare Verbotsirrtum ist eigentlich das gleiche wie das potenzielle Unrechtsbewusstsein. Der Täter hat sein Unrecht nicht erkannt aber er hätte es bei pflichtgemäßer Erkundigung erkennen können.
Abzugrenzen ist das vom Tatbildirrtum. Dieser gibt die tatsächliche Seite der Tat an und verhüllt dem Täter den Sachverhalt. Der Verbotsirrtum hingegen stellt die rechtliche Seite der Tat dar und verhüllt dem Täter das Unrecht.
Irrtum über die Strafbarkeit, insbesondere dem Subsumtionsirrtum, darf man auch nicht mit dem Verbotsirrtum verwechseln. Da das Bewusstsein der Strafbarkeit keine Voraussetzung für die Bestrafung bildet, ist auch der Irrtum über die Strafbarkeit unbeachtlich. Zum Beispiel ist ein unbeachteter Irrtum über die Strafbarkeit, wenn man einen Raub begeht aber denkt man begeht nur einen Diebstahl.
Wenn sich der Täter aus Rechtsunkenntnis auf einen Irrtum über die Strafbarkeit beruft, müssen ihn der Verteidiger und der Richter unterstützen, wenn es in Wahrheit ein Verbotsirrtum oder Tatbildirrtum ist.
Der Satz “Irrtum schützt vor Strafe nicht” gilt nur bei einem reinen Strafbarkeitsirrtum. Bei Tatbildirrtum, Verbotsirr-tum, Irrtum über einen rechtfertigenden Sachverhalt und Irrtum über einen entschuldigenden Sachverhalt gibt es differenzierte Lösungen.

Irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts

Bei der irrigen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts handelt der, wer irrtümlich einen Sachverhalt annimmt, der die Rechtswidrigkeit seiner Tat ausschließen würde (§8).
Dieser deckt sich vollständig mit dem Strukturmerkmal aller Rechtfertigungsgründe, es ist eine rechtfertigende Situation und stellt eine eigenständige Irrtumsart dar.
Es kommt nur bei Vorsatzhandlungen in Betracht und das sind insbesondere Putativnotwehr, Putativnotstand und Putativeinwilligung. Es geht um die irrige Annahme einer Rechtfertigungssituation. Eine irrtümli-che Rechtfertigungshandlung ist nicht vom Gesetz gedeckt.
Eine systematische Zuordnung gestaltet sich schwierig.
Bei der eingeschränkten Schuldtheorie bleibt der Vorsatz selbst unberührt, der Irrtum nimmt ihm aber seinen Unwert. Die Lösung behandelt den Fall in der Auswirkung wie einen Tatbildirrtum. Hier werden der Vorsatz und der Tatbildirr-tum in das Unrecht eingeordnet, was zu dem Problem führt, dass dieser Ansatz in Bezug auf die Vorsatztat zu einer teilweisen Gleichstellung mit dem tatsächlich gerechtfertigt Handelnden führt. So kann die Notwehr gegen den Irrenden ausgeschlossen werden, was nicht von Vorteil ist.
Daneben gibt es die rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie. Sie ordnet den Irrtum der Schuld zu. Wer sich in einem solchen Irrtum befindet, handelt vorsätzlich, denn er will das Delikt begehen, sein Irrtum verhüllt ihm aber die Rechtswidrigkeit der Tat. Er denkt sogar, dass er rechtstreu handelt. Dieser Irrtum schließt nicht das Unrecht oder den Vorsatz, aber das Unrechtsbewusstsein und somit die Schuld in Bezug auf die Vorsatztat aus. So kann er nur noch wegen Fahrlässigkeit belangt werden, liegt hier kein Fahrlässigkeitsdelikt vor ist es Straflosigkeit. Auch die Recht-sprechung ordnet den §8 als Schuldausschließungsgrund ein.